Was tun, wenn die Insolvenz im Raum steht?
Aufgrund des Shutdowns rund um das Coronavirus haben viele Branchen zu kämpfen. In der Kreativbranche ist die Situation mittlerweile bei einigen Betrieben wieder relativ normal, manche konnten sogar zulegen. Für andere, insbesondere jene, die im Weitesten mit der Eventbranche zu tun haben, sieht die Welt derzeit und in Zukunft nicht so rosig aus. Messen wurden abgesagt, sämtliche anderen Veranstaltungen zumindest auf nächstes Jahr verschoben. Die Unternehmer stehen im Moment vor der Entscheidung, das Unternehmen zu schließen und irgendwann, wenn es denn wieder losgehen sollte, zu öffnen … Oder die Phase durchzutauchen und hoffentlich wieder starten zu können. Beide Varianten sind jedoch von vielen Risiken bedroht bzw. erfordern viel Geschick und noch mehr Zeit, da sie mit unzähligen Hürden verbunden sind.
Ich möchte Ihnen mit dem Artikel keine Angst machen, aber gerade schwierige Themen werden leichter, wenn man weiß, wie man sie angehen könnte und diese konkret anspricht.
Schließung
Wenn ich mich beispielsweise entscheide, mein Unternehmen jetzt zu schließen, muss ich mich nicht nur bei der Gewerbebehörde, der Wirtschaftskammer und beim Finanzamt abmelden, sondern ich darf auch die Sozialversicherung nicht vergessen. Dann bin ich aber nicht mehr kranken-, unfall- und pensionsversichert, also muss ich mir überlegen, ob ich mich freiwillig weiterversichern möchte. Möglich ist natürlich auch, mir zur Überbrückung einen Job zu suchen, bei dem ich dann nach dem ASVG versichert bin. Wobei ich schon zugebe, dass die Geschichte mit der Jobsuche eher eine theoretische Idee ist.
Wenn ich mein Unternehmen aufgebe, muss ich jedoch eine Aufgabebilanz erstellen (lassen) und meine Tätigkeit aufgeben. Das schließt den Verkauf bzw. die Entnahme von sämtlichen Gegenständen des Anlagevermögens ein. Der Verkauf wird doch eher unwahrscheinlich sein, insbesondere, wenn ich irgendwann wieder anfangen möchte, also muss ich mich mit der Entnahme auseinandersetzen. Es ist meine Aufgabe, den sogenannten gemeinen Wert von jedem Wirtschaftsgut zu bestimmen. Das Gemeine am gemeinen Wert ist, dass das der Wert ist, den ein x-beliebiger Käufer dafür zahlen würde. Dieser Käufer ist schon in normalen Zeiten sehr schwierig auszumachen, während Corona wird das noch schwieriger. Das Finanzamt, das diese Bewertung am Ende ja auch würdigen muss, kommt erst in ein paar Jahren und fragt nach, wie denn die Bewertung stattgefunden hat. Und bekanntlich ist man hinterher immer schlauer ...
Weiterführung
Sollte die Entscheidung in die Richtung gehen, dass das Unternehmen weitergeführt werden soll, gibt es wiederum unendlich viele Themen zu beachten. So ist der Unternehmer laufend gefordert, über sein finanzielles Dasein Bescheid zu wissen. Im Falle einer Zahlungsstockung, also wenn kurzfristig mehr Geld das Unternehmen verlassen muss, als im gleichen Zeitraum hereinkommen wird, ist im Normalfall noch keine Panik angesagt. Wie gesagt, das gilt nur, wenn dieser Zustand kurzfristig ist. Sollte sich die Zahlungsstockung als längerfristig darstellen – was aktuell wahrscheinlich bei fast jedem anzunehmen ist –, dann spricht man möglicherweise schon von Zahlungsunfähigkeit.
Zahlungsfähigkeit oder -stockung
Zahlungsfähigkeit bedeutet, dass der Schuldner zumindest 95 Prozent aller fälligen Schulden begleichen oder die dafür nötigen Mittel alsbald beschaffen kann. Wichtig ist, dass es sich um fällige Schulden handelt. Wird also mit einem Gläubiger eine Stundung vereinbart, so sind diese Schulden nicht aktuell fällig. Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat die Frist von „alsbald“ mit rund drei Monaten festgelegt. Sollte der Unternehmer also merken, dass er die heute fälligen Schulden nicht sofort begleichen kann, die Wahrscheinlichkeit aber sehr hoch ist, dass in spätestens drei Monaten wieder alles einigermaßen normal laufen sollte, dann befindet er sich in einer Zahlungsstockung. Das ist unangenehm, zwingt es doch den Unternehmer entweder dazu, alle Gläubiger aufzufordern, doch bitte auf den Zahlungseingang noch ein wenig zu warten, oder die Pilgerreise zur Hausbank anzutreten und dort als Bittsteller für einen weiteren Kredit anzutreten. Diese Reise ist aktuell eine sehr schwierige. Die Bundesregierung hat zwar die Banken aufgefordert, den Wirtschaftstreibenden aktiv zu helfen (erinnern Sie sich noch an das Zitat des Finanzministers: „Koste es, was es wolle ...“), doch sind den Finanzinstituten zum Teil die Hände gebunden bzw. der Antragsteller verfügte schon vor Corona über keine besonders gute Bonität.
Wenn ich mein Unternehmen aufgebe, muss ich eine Aufgabebilanz erstellen lassen und meine Tätigkeit beenden.
Pilgerreise zur Hausbank und AWS
Es empfiehlt sich daher, diese Canossagänge am besten vorher mit dem Steuerberater zu besprechen und zu planen. Die Banken wollen momentan für jeden Cent, den sie verborgen sollen, eine Planrechnung sehen. Dass das gerade jetzt keine Planrechnung, sondern mehr eine Plan-Kaffeesudleserei ist, ist den Bankberatern bewusst. Verlangt wird sie aber trotzdem und sollte dementsprechend auch mit der größtmöglichen Sorgfalt erstellt werden.
„Das Austria Wirtschafts Service (die AWS) verteilt doch aktuell eh geförderte Kredite“, werden Sie jetzt sagen. Meine Antwort darauf ist: „Ja, stimmt, aber …“ Die AWS verteilt keine Kredite, die AWS übernimmt unter bestimmten Voraussetzungen die Haftung für einen Kredit. Das soll der Hausbank erleichtern, den Kredit zu finanzieren. Finanziert wird immer über die Bank, die nach ihren eigenen Regeln die Bonität des Kreditnehmers würdigt. Sind nun die Bonität und die Planrechnung schlecht, wird die Bank der AWS empfehlen, die Haftung nicht zu übernehmen – und dann gibt’s keinen Kredit. Und: Die AWS kontrolliert in der Zukunft, ob die Geldmittel auch bestimmungsgemäß verwendet werden. Und bekanntlich ist man hinterher immer schlauer …
Insolvenzantrag
Sollte der Unternehmer nun aber merken, dass die Zahlungsstockung doch nicht nur vorübergehend ist, also eine Zahlungsunfähigkeit vorliegt, sind die Voraussetzungen für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens erfüllt. Der Unternehmer ist verpflichtet, ohne schuldhaftes Verzögern einen Insolvenzantrag zu stellen. Die Insolvenzordnung sieht dafür einen maximalen Zeitrahmen von 60 Tagen ab Eintritt der Zahlungsunfähigkeit vor. Im Falle einer Zahlungsunfähigkeit aufgrund von Naturkatastrophen (Corona soll angeblich eine solche sein, zumindest im Steuerrecht ist das so), verlängert sich diese Frist auf 120 Tage (§69 Abs. 2 und Abs. 2a). Diese Fristen sind unter anderem deswegen so wichtig, weil bei verspäteter Anmeldung Gläubiger auf zivilrechtlichem Weg Ansprüche auf Schadenersatz einbringen können.
In diesem Fall ist es von höchster Wichtigkeit, sofort mit dem Steuerberater Kontakt aufzunehmen, die 60 Tage sind rasch vorbei und meistens merkt man es in den ersten Tagen ja gar nicht, dass man schon insolvenzgefährdet ist. Der Masseverwalter schaut rechnerisch zurück und legt im Nachhinein den Zeitpunkt der Zahlungsunfähigkeit fest. Und bekanntlich ist man hinterher immer schlauer …
Ein guter Plan muss her
Gemeinsam mit dem Steuerberater ist es dann an der Zeit, einen guten Plan zu entwickeln. Sinnvollerweise werden zu diesem Zeitpunkt noch Rechtsanwälte und möglicherweise der eine oder andere Unternehmensberater ins Boot geholt, um das Unternehmen noch retten zu können oder, im schlechtesten Fall, die Insolvenz möglichst geordnet anzutreten. Es ist ratsam, insbesondere in unruhigen Zeiten mit Hirn und Hausverstand vorzugehen und sich Berater an die Seite zu holen. Dann sollten auch Bankgespräche ihren Schrecken verlieren.
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