Du bist angestellt und dir ist in deiner Freizeit langweilig?
Mach dich selbstständig!
So oder so ähnlich könnte ein neuer Slogan des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger lauten. Aber keine Angst, der Steuerberater mit dem guten Kaffee hat nicht heimlich die Fronten gewechselt.
Gerade jetzt in der Zeit mit und nach Corona denken offensichtlich immer mehr Menschen daran, sich neben einer unselbstständigen Tätigkeit auch noch in die Selbstständigkeit zu begeben. Woran das liegt, kann nur gemutmaßt werden, jedenfalls erleben wir Steuerberater gerade einen Run auf diese Beratungen.
Wo liegen nun die Hürden bei dieser Form der Betätigung?
Zuallererst denkt man natürlich an das Finanzamt und die Steuer. Die ist in diesem Fall aber die kleinere Hürde. Alles schon bisher Gesagte und Geschriebene gilt weiterhin: die Frage nach dem richtigen Gewerbeschein, die Frage, ob man Unternehmer im Sinne der umsatzsteuerrechtlichen Vorschriften werden will oder soll, wann, wie und von wem die Buchhaltung erledigt wird usw.
Die Einkommensteuerberechnung ist kurz umrissen, kein Hexenwerk. Vereinfacht beschrieben, erhöht der Gewinn der selbstständig ausgeführten Tätigkeit einfach den durch die unselbstständige Tätigkeit schon verdienten Sockel. Sollte aus dem Gewerbebetrieb ein Gewinn erwachsen, muss dafür Einkommensteuer bezahlt werden. Aus der Planrechnung ergibt sich die eventuell zu bezahlende Höhe der Einkommensteuervorauszahlung. Und ja, das Gefühl, dass man für jeden zusätzlich verdienten Euro viel mehr Steuer zahlen muss, stimmt. Der Grund dafür sind die exponentielle Steuerkurve und der Umstand, dass man alle „Einkommensteuervorteile“ ja schon im unselbstständig verdienten Sockel geltend gemacht hat. Die größere Herausforderung ist aber die Sozialversicherung. Achtung: Jetzt wird’s kompliziert!
Die Sozialversicherung macht es komplex
Die unselbstständige Tätigkeit unterliegt dem ASVG. Jede Tätigkeit, die über der Geringfügigkeitsgrenze (475,86 Euro im Jahr 2021) liegt, ist zumeist verpflichtend bei der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK, früher GKK) versichert. Daran gibt es auch (fast) nichts zu rütteln. Jede selbstständige oder gewerbliche Betätigung ist grundsätzlich bei der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen (SVS, früher SVA) nach dem GSVG pflichtversichert. Bin ich also sowohl angestellt als auch Gewerbetreibender, bin ich bei beiden Sozialversicherungsträgern pflichtversichert, und zwar bis zur jährlichen Höchstbeitragsgrundlage von 77.700 Euro (Wert des Jahres 2021). Verdiene ich in einer Einkunftsart in dieser Höhe und zahle dafür Sozialversicherungsbeiträge, darf der andere Sozialversicherungsträger nichts mehr einheben, außer die Unfallversicherung. Verdiene ich insgesamt mehr als die 77.700 Euro im Jahr, wird im Normalfall die ÖGK „normal abgerechnet“ und die SVS darf nur mehr für die Differenz die Beiträge einheben; dieser Vorgang wird „Differenzvorschreibung“ genannt.
Das Gefühl, dass Sie für jeden zusätzlich verdienten Euro viel Steuer zahlen müssen, stimmt.
Bleibe ich jedoch mit meinem Verdienst unterhalb der Höchstbeitragsgrundlage in Höhe von 77.700 Euro pro Jahr, dürfen beide Sozialversicherungsträger die Beiträge in voller Höhe vorschreiben. Der Beitrag der Selbstständigen zur Pensionsversicherung ist mit 18,5 Prozent festgelegt, jener zur Krankenversicherung mit 6,8 Prozent. Die Unfallversicherung kostet pauschal 125,04 Euro. Bei den Dienstnehmern schaut die Sache ein wenig anders aus. Hier kann man näherungsweise sagen, dass 39,35 Prozent des Bruttogehalts Sozialversicherungsabgaben sind (Dienstgeber- und Dienstnehmerabgaben sowie die Arbeitslosenversicherung in Höhe von 6 Prozent sind hier inkludiert).
Haben Sie es gemerkt? Irgendwie klingt das alles sehr ähnlich, aber im Detail ist es schwer zu vergleichen. Sollte ich Sie nun endgültig komplett verwirrt haben, darf ich Ihnen jetzt verraten: Es wird nur kurz besser.
Unselbstständige Tätigkeit beenden
Wenn ich jetzt, angesichts der Doppelbelastung in der Sozialversicherung, auf die Idee komme, die unselbstständige Tätigkeit aufzugeben, ist erst mal alles wieder ganz einfach. Die ÖGK ist nicht mehr für mich zuständig und die SVS freut sich, mich exklusiv betreuen zu dürfen. Auch der Steuerberater atmet auf und alles wird scheinbar ganz einfach. Bis zu dem Tag, an dem ich mich dazu entscheide, eine geringfügige Tätigkeit zu beginnen, weil ja der Steuerberater mit dem guten Kaffee mal geschrieben hat, dass die sogenannten neuen Selbstständigen so kritisch beäugt werden und die angestrebte Tätigkeit ja eigentlich keine wirklich selbstständige ist. Der befragte Berater hat ja auch gesagt, dass so eine geringfügige Beschäftigung nicht schädlich ist, weil sie ja ohnehin nur geringfügig und dadurch sozialversicherungspflichtbefreit ist …
Schauen Sie sich das ein oder zwei Jahre an, dann wissen Sie, welche Tätigkeit Ihnen mehr Freude bringt.
Das stimmt so lange, bis die Einkommensteuererklärung für das betreffende Jahr abgegeben wird und die Sozialversicherungsträger diese Daten zur Verfügung gestellt bekommen. Zur Beruhigung vorweg, bei der SVS ändert sich nichts. Aber die ÖGK kommt dann auf mich zu und möchte ihren Anteil an meinen geringfügigen Einkünften, da ich zusätzlich zu meinen gewerblichen Einkünften ja plötzlich auch unselbstständige Einkünfte, wenn auch nur in geringer Höhe, habe. Und das Spiel beginnt von vorne.
Was rät der Steuerberater mit dem guten Kaffee also?
Mein Tipp lautet immer, wenn jemand neben einer unselbstständigen Tätigkeit den Drang verspürt, sich auch noch selbstständig betätigen zu wollen und der Arbeitgeber dieser Betätigung auch zustimmt: Nehmen Sie die Doppelbelastung in der Sozialversicherung vorläufig in Kauf. Schauen Sie sich das ein oder zwei Jahre an, dann wissen Sie, welche Tätigkeit Ihnen mehr Freude bringt und entscheiden sich für eine von den beiden.
Insbesondere, da die SVS von Gründern in den ersten beiden Jahren nur stark verminderte Beiträge einfordert. Im dritten Jahr kommt es, wenn in den ersten beiden Jahren entsprechende Gewinne erwirtschaftet wurden, dann aber zu zum Teil saftigen Nachzahlungen.
Auf Dauer sollte man sich entscheiden, ob man selbstständig oder unselbstständig, also Unternehmer oder Nicht-Unternehmer ist. Wer dauerhaft in beiden Welten agieren möchte, tritt nur als Sponsor des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger auf, wobei mit entsprechenden Dankesschreiben derzeit und auf längere Sicht nicht zu rechnen ist. Ist Ihnen immer noch fad in Ihrer Freizeit? Dann kommen Sie auf eine Erstberatung vorbei. Ich lade Sie auf einen guten Kaffee ein und erkläre Ihnen das alles gerne noch einmal.
Dieter Walla schreibt seit vielen Jahren für den Werbemonitor. Ihn kennzeichnet sein „Stil mit Augenzwinkern“ und die Themen gehen ihm nie aus. Der Steuerberater mit dem guten Kaffee setzt auf seine Wallasophie und unterstützt Unternehmen dabei, Steuern zu umschiffen und nach Maß zu optimieren.
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