Top-6-Fehler bei der Anbieterauswahl für ein Newsletter-System
Die Wahl einer geeigneten Software für E-Mail-Marketing ist keine Raketenwissenschaft: Man legt Ziele fest, definiert die Anforderungen, gewichtet sie, sieht sich geeignete Anbieter an und wählt jenen, der die Anforderungen am besten erfüllen kann. In meiner langjährigen Praxis sehe ich immer wieder die gleichen Fehler, die von Unternehmen gemacht werden. Die häufigsten dieser Fehler habe ich hier zusammengestellt, damit Sie nicht auch in diese Fallen tappen.
1. Die Wunschliste an das Christkind
Dabei werden alle möglichen Features zusammengetragen, die den Verantwortlichen jemals untergekommen sind. Oder es werden alle möglichen Entscheidungsträger gefragt, welche Funktionen ihnen wichtig erscheinen. Das Resultat ist meist eine ellenlange Liste mit allen nur denkbaren Funktionen, in vielen Fällen ohne irgendeine Gewichtung – und vor allem ohne dabei (ernsthaft) infrage zu stellen, ob die Features auch wirklich benötigt werden.
Meine Empfehlung: Bei jedem Feature sollte sich das Unternehmen die Frage stellen, ob dadurch auch tatsächlich eine Anforderung abgedeckt wird, die man zu Beginn des Projektes definiert hat. Die richtige Reihenfolge ist also immer: Zuerst die Ziele, dann die Anforderungen definieren und erst danach eine Feature-Liste erstellen.
2. Mangelnde Einbindung der Benutzer
Auch dieser Fehler geschieht öfter, als man vermuten würde: Die Software wird der Geschäftsführung und/oder dem Marketingleiter präsentiert – doch jene Personen, die später täglich mit dem System arbeiten sollen, werden in den Entscheidungsprozess überhaupt nicht oder zu wenig eingebunden. Das Resultat ist dann oft die Entscheidung für ein Tool, das bei den Benutzern auf wenig Gegenliebe stößt oder den täglichen Aufwand unnötig erhöht (z. B. weil die „echten“ Benutzer normalerweise mehr Wert auf Kriterien wie Usability legen als die formellen Entscheidungsträger).
Meine Empfehlung: Die Software sollte vor der endgültigen Entscheidung unbedingt auch den „End-Benutzern“ gezeigt werden. Es geht dabei nicht darum, dass diese die letztgültige Entscheidung treffen, sondern darum, sowohl deren fachliche Meinung zu dem Tool einzuholen als auch ein „buy-in“ (also Akzeptanz) der Betroffenen sicherzustellen.
3. Zukünftige Anforderungen werden (zu wenig) angedacht
Bei der Definition der Anforderungen sollte man unbedingt auch einige Jahre in die Zukunft denken. Denn vielleicht wird das Unternehmen später Funktionen benötigen, die derzeit (noch) nicht notwendig sind. Beispiel: Wenn ein Unternehmen derzeit nur wenige Hundert Adressen gesammelt hat, ist eine Funktion für A/B-Tests nicht wichtig, weil sie bei einer geringen Anzahl von Empfängern nicht sinnvoll genutzt werden könnte. Aber es könnte ja gut sein, dass aktuell Maßnahmen zur Generierung neuer Empfänger getroffen werden, die den Einsatz einer A/B-Testfunktion schon sehr bald sinnvoll machen würde.
Meine Empfehlung: Verwerfen Sie Anforderung nicht deshalb, weil sie aktuell nicht benötigt werden, sondern spielen Sie auch durch, wie Ihre Situation in einigen Jahren sein könnte – und welche Features dann für Sie wichtig wären.
4. „Softe“ Faktoren spielen kaum eine Rolle
Natürlich sind „harte“ Faktoren wie das Vorhandensein von wichtigen Funktionen, vertragliche Rahmenbedingungen oder Kosten wichtig bei der Entscheidung für oder gegen ein Tool. Dabei wird jedoch übersehen, dass in der Praxis oft ganz andere Faktoren maßgeblich über den Erfolg einer E-Mail-Marketing-Strategie entscheiden. Dazu gehören z. B. die Usability eines Systems (Benutzerfreundlichkeit), die Reaktionsgeschwindigkeit des Supports, das fachliche Know-how des Anbieters (das über das Tool an sich hinausgehen sollte) bis hin zur „Sympathie“ für ein System.
Meine Empfehlung: Nehmen Sie unbedingt auch „weiche“ Faktoren in die Anforderungsliste auf und gewichten Sie diese Faktoren entsprechend!
Die richtige Reihenfolge: Ziele, Anforderungen und danach die Feature-Liste.
5. Einmalige Kosten stehen im Vordergrund
Die Preismodelle der verschiedenen Systeme unterscheiden sich oft erheblich. Dabei stehen bei der System-Entscheidung meiner Erfahrung nach vor allem die Kosten des ersten Jahres im Vordergrund, wobei die langfristigen laufenden Kosten zu wenig beachtet werden. Dabei kann es jedoch gut sein, dass ein System bei den initialen Kosten vielleicht etwas teurer ist, dafür aber die laufenden Kosten geringer sind und daher schon nach kurzer Zeit ein „Break-Even“ erreicht werden könnte.
Meine Empfehlung: Berücksichtigen Sie unbedingt auch die langfristigen Kosten. Dazu sollten Sie idealerweise ein konkretes Szenario vorgeben, das sich über mehrere Jahre erstreckt, und dann alle infrage kommenden Anbieter bitten, dazu einen konkreten Preis zu kalkulieren. Nur so können Sie die unterschiedlichen Preismodelle wirklich sinnvoll miteinander vergleichen.
6. Das Thema Datenschutz zu wenig beachten
Die DSGVO mag nicht bei jedermann beliebt sein, doch sie ist „here to stay“. Aber nach einer kurzen Panikphase bei der Einführung der DSGVO ist das Thema bei vielen Unternehmen wieder etwas eingeschlafen. Dabei können die Strafen durchaus schmerzhaft sein. Amerikanische Anbieter sollten jedenfalls nach dem EuGH-Urteil (Schrems II) tabu sein. Auch bei europäischen Systemen muss ein kritischer Blick auf die Datenschutz-Funktionen geworfen werden. Denn am Ende des Tages sind Sie der Verantwortliche.
Meine Empfehlung: Hinterfragen Sie bei den Systemen, ob amerikanische Sub-Dienstleister (z. B. Amazon Web Services) eingesetzt werden und erkundigen Sie sich nach den Datenschutz-Funktionen: Können die Verhaltensdaten der Empfänger anonymisiert werden? Können Auskunftsbegehren rasch beantwortet werden? Wird ein Double-Opt-in (mit Verifizierungsschritt) unterstützt? Können Datenschutz-Zustimmungen verwaltet werden? Ist sichergestellt, dass alle Schritte detailliert protokolliert werden?
Ein Tipp zum Schluss: Die E-Mail Marketing Academy hat zur Auswahl eines geeigneten Anbieters ein einstündiges Praxis-Webinar mit vielen konkreten Tipps abgehalten. Wenn Sie das Thema interessiert, können Sie sich eine kostenlose Aufzeichnung davon ansehen.
Michael Kornfeld zählt mit über 25 Jahren Erfahrung zu den führenden Experten Österreichs im Bereich Online-Marketing, insbesondere was E-Mail-Marketing betrifft. Er hat mit dialog-Mail eine erfolgreiche E-Mail-Marketing-Software entwickelt und ist Inhaber einer Agentur für interaktives Marketing. Parallel hat er das Online-Marketing-Forum.at gegründet, zum damaligen Marktführer in dem Bereich aufgebaut und im Jahr 2018 verkauft. Kurz danach hat Michael Kornfeld die E-Mail Marketing Academy gegründet. Er ist geprüfter Datenschutz-Experte, (Co-)Autor von mehreren Büchern und war Lektor an mehreren Hochschulen – derzeit unterrichtet er an der FH St. Pölten. Darüber hinaus ist er gefragter Redner bei Konferenzen im In- und Ausland.
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